RAINER WEBER >>

Skulptur / Partizipation / Bühne / Ausstellung / Text / vita / impressum


Mare liberum – Der Masterplan


Ausstellung im Hafenmuseum Speicher XI

4. Mai – 13. Juli 2014


Eröffnung Sonntag 4.5.2014  11.00 h



Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freundinnen und Freunde des Hafenmuseums Speicher XI,


Titel und Inhalte dieser Ausstellung von Rainer Weber und Tom Gefken haben es wirklich in sich. Sie bieten uns eine Jonglage an aus dem Seerechtsübereinkommen der UN, dem Grundgesetz der BRD Artikel 5, der Überseestadt als Ganzes, dem Prinzip Masterplan als Mittel der Stadtplanung und schließlich transformierte Fundstücke und  Geschichten, die ihre Wurzeln in jener bremischen Überseestadt haben.

Ich sehe Ihnen an, dass Sie eine Erklärung dazu erwarten.

Mare liberum, die Freiheit des Meeres, so schrankenlos wie die Freiheit der Kunst. Webers und Gefkens Bezugnahme ist allerdings nicht ohne Risiko. Das bundesrepublikanische Grundgesetz, Artikel 5, unterstützt wohl vorbehaltlos die Freiheit der Kunst – auf das Meer bezogen hätte die Freiheit allerdings ihre Beschränkungen in den international unterschiedlich interpretierten Grenzen der Hoheitsgewässer. Außerhalb der 200 Meilengrenzen, von einigen Staaten eingefordert, da kann sich die Kunst dann frei und anarchisch, wie es ihre Art zu sein hat, entwickeln. Wer weiß, ob das in einigen Jahrzehnten aber noch gilt, in Seerechtskommissionen wird daran gearbeitet, das Meer nach Zonen zu kartieren, in denen etwas gedurft oder auch nicht gedurft wird. Rainer Weber und Tom Gefken haben es also noch mal geschafft, den aus dem 17. Jahrhundert stammenden Grundsatz des Mare liberum für den Genius ihrer Kunst in Anspruch zu nehmen. Vertrauen wir auf das Sitzfleisch der Kommissionen.

Und um bei der Jonglage zu bleiben: die beiden ausstellenden Künstler konfrontieren ihren Schutzgeist der Kunst mit dem Prinzip eines Masterplans, dem planerischen Instrument dieser Stadt für die Restrukturierung der hiesigen Überseestadt und ziehen ihre eigenen Konsequenzen daraus.  Dazu gleich noch mehr, vielsagende Titel wollen schließlich erklärt sein.

Masterplan klingt nach entschlossenem „so machen wir es!“ Aber das Leben muss bekanntlich nicht so sein, es ist häufig ganz anders. Gefken und Weber sind der Auffassung, man müsse die Dinge sich auch frei entwickeln lassen können, sie plädieren für ihren Masterplan nach dem künstlerischen Prinzip des Scheiterns und des Gelingens, frei nach Hegels Grundsatz „Wenn sich die Dinge im Kopf verändern, hält es die Wirklichkeit nicht mehr lange aus“. Und sie gehen davon aus, das sich die Dinge selbstverständlich stetig verändern, vor allem im Kopf.

Bevor Sie nun darüber nachdenken, was Ihnen alltagstauglich für den weiteren Umgang mit diesem komplexen Thema scheint, ein kurzer Ausflug in ein anderes künstlerisches Genre: es gibt eine deutsche Power-Metal-Band, die trägt den starken Namen „Masterplan“ und hat unversehens zum Thema dieser Ausstellung etwas Hintergründiges beizutragen. Die Band sorgt sich mit ihrem Text aus dem Song „Soulburn“ um den Zustand unseres Planeten, das tun Weber und Gefken ja auch, jedenfalls was das Stückchen Erde angeht, auf das sie sich mit ihrer Ausstellung beziehen. Masterplan textet wie folgt, aus dem Englischen frei übersetzt, in der Hoffnung, dass die zarte Lyrik, die der Kunst der Band innewohnt, nicht verloren gegangen ist.


Aus dem Song „Soulburn“

„Und die Erde ist wie ein leuchtender Diamant

Dieser Glanz, wenn Du ihn umsorgst.

Wenn das Tageslicht verlischt

und Dich geblendet zurücklässt,

Bleib in Deinem Traum und träume ihn wieder und wieder.“

Dazu dann einfühlsame Power-Metal- Musik in psychoakustisch wirksamer Tonstärke ab 85 dezibel.

Soweit die Band „Masterplan“ mit ihrer Empfehlung zum sorgsamen Umgang mit dem Planeten Erde als schwelgerische Verbündete von Rainer Weber und Tom Gefken. Folgte man ihnen, könnte die Hegelsche Wirklichkeit noch einmal vom Kopf in die Hände kommen. Bei der Musik, ich empfehle einen Besuch auf youtube!

Neben den genannten übergeordneten Prinzipien widmen sich Rainer Weber (Plastik) und Tom Gefken (Malerei und Zeichnung) nun sehr handfest der Gestalt der heutigen Überseestadt und stellen fest, es gibt da noch etwas nachzutragen. Gegenwart  und Zukunft gäbe es nicht ohne die Zeichen der Vergangenheit, sagen sie und formulieren als Künstler das Zufällige, das Schräge, das Eigene eines Hafengebietes: „Hafen ist nicht piekfein, nicht symmetrisch. Hafen ist auch schmuddelig, schweißgetränkt, Rotlichtmilieu!“.


Rainer Weber verarbeitet in seinen quellenden Plastiken Fundstücke aus der Überseestadt,  Flaschenreste, Bläschenfolie, Reste von Stahlarmierungen oder Betonbruchstücke und „betoniert sie spielerisch weiter“. Er überführt sie – im Sinne der eigenen Masterplanung -  von der „zweckvollen in eine zweckfreie Form“, sucht das Gegenteil von vernünftig, unterläuft das Humorlose des Betons, dem bevorzugten Stoff für das, was Umstrukturierung heißt.


Es ist ein Vergnügen ihm zuzuhören, wenn er in diesem Zusammenhang über seine Schlosserlehre spricht, die ihn unter anderem dazu gebracht habe, „furchtbar unbequeme“ Stahlstühle zu bauen. Vom diesem Prinzip des Unvernünftigen ließe er sich auch heute leiten, das Abenteuer des Funktionierens sei nicht sein Abenteuer. Entscheidend sei für ihn die Schlüssigkeit der entstehenden Formen. Die, angesichts des Betons, gemischt aus einer Gesteinskörnung und einem Bindemittel, erstaunlich seidige Oberflächen haben.


Glasvitrinen für seine 20 Arbeiten veredeln die Randerscheinungen baulicher Vergangenheitsbewältigung.  


Tom Gefken ist neben vielem anderen auch Skeptiker. Er vertraut dem Zweifel als Würze gesellschaftlicher Entwicklungen und ihren vermeintlichen Wahrheiten, unterscheidet zwischen Historie und Erinnerungen, Geschichten. „Geschichten“, sagte er, „verändern sich, sie haben immer mehr als nur eine Facette.“ Wenn er die Gestaltung eines für die Öffentlichkeit bestimmten Raumes, die Überseestadt, künstlerisch kommentiert richtet er seinen Blick in die nahe und ferne Zukunft, nicht aber ohne dabei, rückwärts,  über die eigene Schulter in die Vergangenheit zu blicken. Und seinen Zweifel zu nähren.

Er hat sich u.a. vom Rotlichtmilieu des Hafens inspirieren lassen, zitiert großformatige Frauenakte nach klassischen Vorbildern, nuanciert sie mit Zutaten, die sie in das  Gewöhnliche überführen. Er präsentiert sie in Schaukästen wie Schmetterlinge, gemalt auf dem rohen Holz ehemaliger Transportkisten aus Übersee. Ausgesägt und entrückt aus ehemals edler Umgebung, jetzt in der Nachbarschaft der auf Papier gezeichneten Serie „Tattoos“, Symbole der Vergangenheit wie der Gegenwart.  

Mit weiteren Motiven aus der Vergangenheit des Hafens, dem Hafengebiet pflegt er die Ästhetik des Gewesenen und des Verfalls, Kontraste zum schönen Schein des Heute.

Danke für Ihre Aufmerksamkeit,                                   


die Ausstellung ist eröffnet.



30.4.14     Albrecht Lampe





Masterplan Metallic band

Aus dem Album soulburn

And the world is like a shiny diamond                    

The way it glitters if you polish it right

And if the light should turn and leave you blinded

Take the dream and give it one more try